Schreiben ist Denken auf Papier
Journaling als Methode zu mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden?
Stimmt es wirklich, dass wir uns durch regelmäßiges Schreiben besser verstehen lernen? Dass wir Ziele setzen und erreichen können? Dass wir ausgeglichener sind?
Entscheiden Sie selbst! Im Folgenden Abschnitt versuche ich, kurz Auskunft zu geben über diese noch recht junge Disziplin im Selbstcoaching.
Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme wenn für Sie noch Fragen offen sind.
Ergiebiges Schreiben!

„Am besten gefällt mir noch, dass ich das was ich denke und fühle, wenigstens aufschreiben kann, sonst würde ich komplett ersticken.“ (Anne Frank; 16.3. 1944)
Technisch gesehen bedeutet Journaling „schreiben“. Schreiben in einem Notizbuch, in einem Heft/Tagebuch, auf einem Zettel.
Ungern aber doch ziehe ich den Vergleich zum Tagebuch heran. Ungern, weil Journaling nicht auf den (äußeren) Ereignissen des Tages beruht, sondern sich auf unser Inneres bezieht, und dann aber doch, weil eben der Vorgang an sich der gleiche ist, und wir uns etwas darunter vorstellen können.
Inhaltlich haben wir es damit zu tun, Worte für das zu finden, was uns im Innersten bewegt und diese aufzuschreiben und zu reflektieren. Die Art von Journaling, von der hier die Rede sein soll bezieht sich auf das Schreiben im Rahmen von Psychohygiene, Persönlichkeitsentwicklung, Selbstwahrnehmung.
Journaling bietet die Möglichkeit:
Klarheit zu finden. Klarheit über mich als Person, meine Einstellungen und Werte, aber auch meine blinden Flecken.
Gefühle in Worte zu fassen und dadurch Zusammenhänge, Beziehungen oder wiederkehrende Schwierigkeiten besser zu verstehen.
Pläne zu schmieden, die zu mir passen und die ich auch gut verwirklichen kann.
Auf Vergangenes zurückzublicken und es als Teil von mir zu begreifen.
Zukünftiges zu gestalten indem ich neue Gewohnheiten im Denken und im Tun entwickle.
Sinn in etwas zu finden.
Weil Sie nicht immer alle Gedanken und Gefühle, die Sie haben, teilen mögen oder können, Sie sich aber trotzdem mit ihnen auseinandersetzen müssen, wenn Sie gesund bleiben wollen.
Weil Gedanken und Gefühle aufzuschreiben dabei hilft, sich zu organisieren, was oft zu neuer Erkenntnis führen kann. Es werden neue Blickwinkel wahrgenommen und neue Gedanken und Ideen kommen (scheinbar) ganz automatisch.
Gerade in schwierigen Zeiten fühlen wir uns manchmal überwältigt. Wir verlieren den Blick und den Glauben an unsere Fähigkeiten und Stärken, oder können sie nicht in dem Maße abrufen, in denen wir sie brauchen.
Schreiben kann helfen, Ordnung ins Chaos zu bringen, nach und nach wieder handlungsfähig zu werden und uns selbst zu helfen oder Hilfe zu organisieren.
Schreiben ist Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn wir merken, dass wir etwas zur Verbesserung der eigenen Situation beitragen können, dann verbessert sich auch automatisch das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Das heißt, in Zukunft kann ich tatsächlich aktiver und effizienter handeln, wenn es darum geht, an meiner Situation etwas zu ändern.
Weil es uns glücklicher macht.
Neurowissenschafter R. Davidson sagt – und ich stimme dem zu – dass Wohlfühlen oder Zufriedenheit nichts ist, was man einfach hat oder eben nicht. Es hängt auch nicht vom Außen, oder den Umständen ab. Nein, Davidson kommt zu dem Schluss, dass Wohlbefinden lernbar ist. Er spricht von 4 Qualitäten, (Resilienz, Grundeinstellung, Aufmerksamkeit, Großzügigkeit) die uns, wenn wir ihnen vermehrt Aufmerksamkeit schenken (z.B. durch Schreiben, Meditation oÄ.) helfen, auch in schwierigen Zeiten gesund und hoffnungsvoll durchs Leben zu gehen.
Weil Schreiben bei der Verarbeitung schwieriger Erlebnisse hilft.
Wenn wir uns Belastendes von der Seele schreiben (die Redewendung sagt eigentlich schon alles) bekommen wir Abstand und dadurch eröffnen sich neue Perspektiven.
Gerade die „heißen Eisen“, also die Themen und Aspekte, die uns unangenehm sind, lassen wir oft links liegen. Trotzdem sind sie da, und sie haben die unangenehme Tendenz, dann aufzutauchen und sich in den Vordergrund zu drängen, wenn wir sie gerade gar nicht brauchen können. Also in Zeiten höherer Belastung, in schwierigen Situationen oder wenn´s anderweitig „drunter und drüber geht“. Es lohnt sich also allemal, sich vorher schon schreibend mit ihnen auseinanderzusetzen.
Weil Schreiben in hohem Maße dabei hilft, Werte und Ziele abzuklären und auf ihre Tauglichkeit zu untersuchen; Entscheidungen zu treffen, das eigene Leben zu organisieren und als sinnvoll zu begreifen.
Weil die geistige Leistungsfähigkeit verbessert wird. Pennebaker, einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet, argumentiert folgendermaßen:
Unser Arbeitsgedächtnis verliert an Leistungsfähigkeit, wenn es von „dunklen Schatten“ bewusst oder unbewusst, von Sorgen oder Ängsten belastet wird. Wenn diese Sorgen und Ängste ihren Platz (z.B. in einem Journal) finden, werden Kapazitäten im Arbeitsgedächtnis freigegeben und komplexe Aufgaben werden wieder konzentriert erledigt.
Ähnlich verhält es sich mit dem sozialen Leben. Je größer der emotionale Stress ist, unter dem jemand steht, desto schwieriger ist es, sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen.
Durch das regelmäßige Nutzen des Journals, wird unabhängig vom Inhalt grundsätzlich schon das Arbeitsgedächtnis trainiert.
Sogar auf Blutdruck, Immunsystem und Anzahl der Arztbesuche ließen sich positive Effekte feststellen.
Und ganz davon abgesehen macht Schreiben einfach Riesenspass.
Ob Journaling etwas für Sie ist, finden Sie am besten heraus, wenn Sie es probieren. Laut Studien profitieren diejenigen am meisten, die bis dato wenig bis gar nicht auf dem Gebiet der Persönlichkeitsentwicklung gearbeitet haben. Die anderen haben halt schon einen Vorsprung.
Hinweis: Journaling ist ein starkes Werkzeug, mit dem Sie durchaus tief in Ihrem Inneren graben können. Nicht umsonst wird es auch erfolgreich in der Trauma Therapie angewandt.
Wenn Sie an einer psychischen Erkrankung leiden und deshalb in Therapie sind, besprechen Sie mit Ihrem Therapeuten wie Sie Journaling hilfreich einsetzen können.
Wenn Sie an einer psychischen Erkrankung leiden und keinerlei therapeutische Begleitung in Anspruch nehmen, dann wenden Sie sich an Ihren Neurologen, Psychiater oder anderen Fachmann Ihres Vertrauens.
Wie anfangen?
Manche Menschen setzen sich hin und schreiben drauflos und es funktioniert wunderbar. Andere finden es schwieriger, den Einstieg zu finden, oder sie bleiben irgendwie stecken, oder sind unsicher, was sie tun sollen.
Tipps zum Anfangen; der äußere Rahmen
- Suchen, kaufen oder basteln Sie sich ein Notizbuch, in das Sie Ihre ersten Journaling Einträge machen wollen.
- Sorgen Sie dafür, dass Sie in dieser Zeit nicht gestört werden.
- Nehmen Sie sich Zeit. Auch nach dem Schreiben möchten Sie vielleicht mit sich und Ihren Gedanken allein sein.
- Sorgen Sie dafür, dass Sie es gemütlich haben (Duft, Kerze, Musik, Tee…Sie wissen am besten, was für Sie funktioniert)
Tipps zum Anfangen; der Inhalt
Erstellen Sie eine Liste mit 20 Fragen. Einige werden Ihnen selbst einfallen, andere finden Sie zum Beispiel am Ende dieses Artikels. Oder Sie nutzen das Internet und suchen nach sogenannten „prompts“. (Auch Zitate oder Lebensweisheiten und Sprichwörter sind eine gute Quelle, um zu starten)
Wenn Sie Ihre Liste beisammenhaben, dann suchen Sie sich einen Schreibimpuls aus, stellen einen Timer auf 5 Minuten und schreiben solange, bis die Zeit um ist. (Falls Sie sehr viel mehr zu schreiben haben, dürfen Sie das gerne tun)
Es kommt überhaupt nicht drauf an, ob Grammatik oder Rechtschreibung korrekt sind. Der Satzbau interessiert genauso wenig wie die Schönheit der Schrift. Nicht einmal beim Thema bleiben müssen Sie, wenn Ihre Gedanken während des Schreibens einen ganz anderen Weg nehmen. Das was Sie da schreiben ist allein für Sie bestimmt! Niemand sonst wird es lesen oder gar korrigieren!
Schreiben Sie einfach drauf los. Sie können gar nichts falsch machen.
Hören Sie nach den 5 Minuten (oder später) auf und lesen was Sie geschrieben haben.
Was das Journaling vom „einfachen Aufschreiben“ (was für sich schon positive Effekte erzielen kann) maßgeblich unterscheidet ist die Reflexion – die Feedbackschleife, die wir nutzen, um größtmöglichen Gewinn aus der Schreibsession zu ziehen.
Stellen Sie Ihren Timer nochmal auf 5 Minuten und schreiben Sie das auf, was Ihnen beim Lesen, (vielleicht ja auch schon während des Schreibens) aufgefallen ist. Was Sie vielleicht überrascht hat, worauf Sie jetzt neugierig geworden sind…
Eine Reflexion könnte etwa so beginnen:
- Wenn ich das durchlese, fällt mir auf…
- Wenn ich sehe was ich geschrieben habe, dann frage ich mich…
- Wenn ich das lese, dann möchte ich…
Wahrscheinlich ergeben sich durch dieses Reflektieren weitere Fragen, die Sie – wenn sie mögen – gleich, oder in einer nächsten Schreibsession beantworten können.
Auch hier gilt wieder: Sie können nichts falsch machen. Es geht nicht um komplizierte Fragestellungen oder Zusammenhänge, auch nicht um literarisch hochwertige Ergebnisse. Es geht lediglich um die Gedanken und Gefühle, die ohnehin in Ihnen sind.
Wie schon erwähnt können Sie grundsätzlich nichts falsch machen. Es ist natürlich so, dass, wenn Sie tiefer gehen wollen, verschiedene Ansätze und Techniken bei bestimmten Fragestellungen oder Anliegen besser geeignet sind als andere. (zu finden etwa bei K. Adams; ich werde in weiteren Artikeln näher auf die „Werkzeugbox“ eingehen)
Grundsätzlich ist es ihr Journal, Ihr Prozess und Sie selbst sind diejenige, die bestimmt, ob Journaling Ihnen weiterhilft oder eher nicht.
Über schwierige Themen oder belastende Ereignisse zu schreiben, wühlt auf. Es ist daher grundsätzlich nicht verwunderlich, wenn Sie nach dem Schreiben manchmal eine Zeit lang traurig sind oder sich „schlecht“ fühlen. Dieses Gefühl sollte jedoch nicht länger als ein, zwei Stunden anhalten. Wenn Sie sich so ein Thema vornehmen, dann sorgen Sie zum einen dafür, dass Sie anschließend ausreichend Zeit für sich haben und setzen Sie eine solche Schreibsession auch nicht vor Aufgaben an, für die sie voll konzentriert und „da“ sein müssen.
Falls Sie erleben, dass Sie durch das Schreiben ohne Begleitung in negative Gedanken- und/oder Gefühlsspiralen rutschen, Ihnen das Geschriebene Angst macht oder Sie spüren, dass Ihnen das Schreiben mehr schadet als es nützt, dann empfehle ich natürlich vorerst damit aufzuhören. Bedenken Sie aber, dass solche Gefühle ein Hinweis auf – ich nenne es salopp – eine „Baustelle“ sein können, bei deren Bearbeitung Sie sich Unterstützung holen könnten. Scheuen Sie sich dann nicht, nach kompetenter Begleitung zu suchen. (Eine Liste der in Österreich tätigen Therapeuten finden Sie hier: https://www.psychotherapie.at/patientinnen/psychotherapeutinnen-suche)
Schreiben Sie, wie Ihnen „der Schnabel gewachsen ist“. Es ist wichtig authentisch zu sein, um in Kontakt zu kommen und etwas zu bewirken. Ein literarisch hochwertiger Eintrag mag toll sein, wenn er sprachlich aber in Distanz zu Ihnen steht, ist er im Journal nicht hilfreich.
Gestalten Sie Ihr Umfeld zum Schreiben. Machen Sie es sich gemütlich, sorgen Sie für Ruhe. Manche gehen zum Schreiben gerne in die Natur, andere ins Cafe, wieder andere haben zuhause eine Schreibecke eingerichtet. Probieren Sie aus, wie es für Sie am angenehmsten ist.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Auch nicht beim Journaling. Für die meisten ist es nicht alltäglich, sich so intensiv mit sich selbst zu befassen und manchmal scheinen wir noch etwas ungeschickt im Umgang mit uns selber. Auch das darf sein. Sie werden feststellen, dass sich Ihr Schreiben im Lauf der Zeit verändert. Sie werden mutiger, offener und ehrlicher mit sich selbst, wahrscheinlich auch liebevoller.
Damit es zu keinen unerwünschten Nebenwirkungen kommt:
Die Ausflipp-Regel nach Pennebaker
Hören Sie auf zu schreiben, wenn Sie das Gefühl bekommen auszuflippen; sich nicht mehr kontrollieren zu können.
5-Minuten Sprint
Begrenzen Sie die Zeit, wenn Sie merken, dass Sie bei bestimmten Themen in negative Gedanken-, oder Gefühlsspiralen kommen. Negativität hat durchaus ihren Platz im Journaling, allerdings soll sie nicht bestimmend werden, sie ist nicht hilfreich, wenn wir in ihr verbleiben.
Schreibstrategie ändern
Irgendwann ist genug! Wenn Sie merken, dass Sie sich im Kreis drehen, dass immer wieder das Gleiche ohne Ergebnis, ohne Gefühl von Fortschritt passiert, ist es an der Zeit etwas zu ändern. Nutzen Sie eine andere Technik, holen Sie sich Rat.
Schützen Sie Ihr Journal
Ihr Journal enthält Schätze, geheime Konversation, intime Gedanken und nackte Wahrheiten. Es ist nur für Ihre Augen bestimmt!!! Überlegen Sie also, wie Sie dafür sorgen können, dass das auch so bleibt. Falls Sie z. B. ein digitales Journal nutzen, könnten Sie es mit einem Passwort schützen; oder finden Sie einen sicheren Ort, wo Sie Ihr Journal aufbewahren. Oft reicht auch der Hinweis auf den Wunsch nach Privatsphäre. Je nachdem, was Ihre Situation erfordert…machen Sie sich auf jeden Fall Gedanken um dieses Thema.
- Was sind jetzt in diesem Moment 5 Dinge, für die ich dankbar bin?
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